Essen, 30. März 2011

„Die Einführung des neuen Pflegebegriffs ist der notwendige und richtige Schritt, um die  Gleichbehandlung von somatisch erkrankten und psychisch oder demenziell erkrankten Menschen zu erreichen. Aus Sicht der Medizinischen Dienste ist es deshalb fachlich zu begrüßen, dass jetzt Bewegung in die Diskussion kommt“, sagte Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes anlässlich eines Gesprächs zwischen Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler und dem  Beirat zur Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes am 30. März in Berlin.

„Der neue Pflegebegriff wird die notwendigen Impulse für eine verbesserte Versorgung der Pflegebedürftigen setzen. Mit seiner ganzheitlichen Sichtweise schafft er die Voraussetzung, um die Potenziale zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit durch präventive und rehabilitative Maßnahmen besser zu nutzen. Darüber hinaus bietet er eine geeignete Grundlage, um die Leistungen der Pflegeversicherung besser zu verknüpfen und mit Hilfe einer gezielten Pflegeberatung zu arrangieren. Wir müssen aber vermeiden, dass die Neuausrichtung des Pflegebegriffes neue „Verschiebebahnhöfe“ zwischen den Sozialleistungsträgern eröffnet“, so Pick.

Das Instrumentarium, das notwendig ist, um die seit langem bekannte Ungleichbehandlung von somatisch erkrankten und psychisch oder demenziell erkrankten Menschen zu beenden, liegt mit dem neuen Pflegebegriff und dem neuen Begutachtungsverfahren vor. In Zukunft soll der Grad der Selbstständigkeit erfasst werden und nicht mehr der Zeitaufwand für Hilfen bei Aktivitäten des täglichen Lebens wie dem Anziehen oder der Körperpflege, die von Pflegepersonen erbracht werden. Damit berücksichtigt das Instrument den besonderen Hilfe- und Betreuungsbedarf von Menschen mit kognitiven oder psychischen Einschränkungen, was mit dem bisherigen Begutachtungsverfahren nur unzureichend geschieht.

Verbesserungen müssen bei den unmittelbar Betroffenen ankommen
„Die Neuausrichtung des Pflegebegriffs und das neue Begutachtungsinstrument führen zu mehr Gerechtigkeit zwischen Menschen mit kognitiven und Menschen mit somatischen Beeinträchtigungen, und an die Stelle des Minutenzählens und der Minutenpflege kann ein ganzheitliches Verständnis des Pflegebedarfs treten. Das neue Begutachtungsinstrument ist in enger Zusammenarbeit von Pflegewissenschaft und Medizinischen Diensten entwickelt worden. Es erfüllt daher wissenschaftliche Gütekriterien und hat seine Praxistauglichkeit bewiesen. Jetzt ist es an der Politik, eine Entscheidung zu treffen und im Rahmen der geplanten Pflegereform dafür zu sorgen, dass die im neuen Pflegebegriff angelegte verbesserte Leistungsgestaltung auch bei den betroffenen Pflegebedürftigen ankommt“, so Pick.

Einführung muss sorgfältig vorbereitet werden
Die Einführung eines neuen Pflegebegriffs bedürfe einer systematischen und sorgfältigen Vorbereitung. Diese sei erforderlich, um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sowie alle Beteiligten über das neue Verfahren zu informieren. Ebenso benötigten  Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen und Medizinische Dienste die notwendige Vorbereitungszeit für den Übergang auf das neue Verfahren und die Durchführung der Begutachtung nach dem neuen Begutachtungsverfahren.

Hintergrund:
Der „Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ unter Vorsitz von Dr. Jürgen Gohde hatte Anfang 2009 seinen Abschlussbericht zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen Begutachtungsverfahrens veröffentlicht. Demnach sollen in Zukunft nicht mehr der Zeitaufwand für personelle Hilfen, sondern der Grad der Selbstständigkeit einer Person bei Aktivitäten in sechs pflegerelevanten Lebensbereichen - wie z. B. kognitive und kommunikative Fähigkeiten oder der Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen – erfasst und in fünf Stufen abgebildet werden.

Die Regierungskoalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 auf eine neue und differenzierte Definition der Pflegebedürftigkeit verständigt. Explizit war darin auf die vom „Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ vorgelegten Vorschläge Bezug genommen worden.

Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.